Der Traum von einer besseren Welt - die gefährlichste Utopie deutscher Gutmenschen*?!
**Rubrik: Satire-Deponie**

- Verfasst 2011 -

Es gibt Grund zur Freude, jedenfalls verbreiten dies die meisten deutschen Medien. Der gnadenlose Diktator Gaddafi formerly known as gern umsorgtes Staatsoberhaupt von Libyen ist gestürzt, die Demokratie hat gesiegt.
Nun gestürzt ist er noch nicht so richtig, da noch nicht von den "Demokraten" wie einst Saddam Hussein aus irgendeinem Erdloch gezogen und fotografiert. Und die selben "Demokraten" schreien auch nur in den medialen Zusammenschnitten in Form immer der selben wenigen Einzelfälle "Freiheit" und nicht "Allah ist groß!".
Aber egal, "Wir", also die vielen deutschen, europäischen und amerikanischen Gutmenschen lassen uns unsere Stimmung nicht von solchen kleinen Details verderben. Aus dem hinweggebombten Regime des "kleinen Hitlers" Gaddafi wird sich bald eine lupenreine Demokratie erheben, wie bisher immer in solchen Fällen.
"Kleiner Hitler"?
Ja klar, ich dachte, seit dem die deutsche Linke damals einen Hussein aus Irak so bezeichnete, wird jetzt jeder Diktator oder dem Westen unliebsame Machthaber gleich mal in "Hitler"-Pascal gemessen.
Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Erich Honecker war kein "Kleiner Hitler", Josef Stalin auch nicht, Fidel Castro schon gar nicht und Napoleon Bonaparte, keine Rede. So ganz genau weiß ich noch nicht, wie "Hitler" gemessen wird.
Nun könnte man viele Kriege einfacher rechtfertigen, wenn man den Traum von einer besseren Welt einfach mal im Aktenordner der Visionen und Utopien abheftet.
Bei Kriegen geht es dann nur um nationale und internationale Interessen rationaler Art. Der französische Präsident brauchte eine nette Ablenkung von innenpolitischen Fehlern, die englische Regierung mal wieder einen "Beweis" ihrer internationalen Bedeutung, ihre amerikanischen Verbündeten mal wieder einen wirklich zu erringenden militärischen Sieg und viele Staaten weltweit leichteren Zugriff auf die Erdölreserven des Landes.
Praktischerweise musste man keine Bodentruppen dazu riskieren, bot sich doch eine bunte Truppe aus opferbaren echten Demokraten, ehemaligen Weggefährten des Diktators und Gotteskriegern an diesen Job zu übernehmen.

Es stellte sich allerdings über Wochen hinweg raus, dass es doch nicht so einfach laufen würde. "Die Sau" Gaddafi hat sich gewehrt! Und das auch noch peinlicherweise mit den Waffen, die ihm seine ehemaligen Verbündeten geliefert hatten. Doch nur für einen Gutmenschen im Endstadium hat dieser Umstand nur Negatives. Denn die Waffen waren bezahlt und wurden im Krieg zerstört, müssen also ergo von den neuen Machthabern Libyens irgendwann ersetzt werden. Das bedeutet neue Aufträge für die amerikanische und europäische Rüstungsindustrie.
In einer wünschenswerten besseren Welt würden die neuen Machthaber den Erdölreichtum des Landes für ihre Bevölkerung ausgeben, in der realen Welt werden sie nach guter alter Tradition versuchen ihre Macht mit Rüstungsausgaben zu sichern und sich selbst zu bereichern. In vielen Regionen dieser Welt ist diese Vorgehensweise praktisch Programm.
Doch nur Gutmenschen sind der Ansicht, dass würde vor allem an der Wahl der Mittel liegen, um in diesen Regionen Ordnung zu schaffen. Egal, ob man jetzt Brunnen bohrt bis zum Umfallen, Bomben abwirft bis die Munitionslager leer sind oder Lichterketten quer über den Globus bildet, die Veränderungen können nur die Menschen vor Ort erreichen.

Archaischen Stammesstrukturen etwa müssen hierzu überwunden werden, die Spirale aus Bürgerkriegenunterbrochen und wirtschaftliche Veränderungen in Angriff genommen werden. Europa und Amerika haben die Schrecken zweier Weltkriege "benötigt", um auf dem aktuellen demokratischen Stand zu sein. Der Mensch als gefährlichstes Tier der Welt lernt wohl leider fast ausschließlich durch negative Stimulanz dazu.
So ist der Traum von einer besseren Welt, geträumt von Gutmenschen wohl eine gefährliche Vision, hält er doch von realpolitischen Entscheidungen ab. Wer etwa als Teil dieses Traums propagiert, dass jede religiöse Ansicht gleich schützenswert sei, der verkennt im Zweifelsfall die Notwendigkeit radikale religiöse Strömungen mit Gewalt aufzuhalten. Es gibt religiöse, aber auch politische Fundamentalisten, die nur mit Härte aufzuhalten sind.

Härte wird leider, aber auch verständlicherweise aus der Erfahrung einer langen Friedenszeit heraus von vielen Menschen unbewusst gleichgesetzt mit übertriebener Härte. Die Schwäche angemessene Härte anzuwenden ist jedoch genauso fatal wie übertriebene Härte anzuwenden.
Aufgrund oftmals vorhandener mangelnder Lebenserfahrung überschätzen Gutmenschen oftmals die Wirksamkeit bzw. die Härte von Maßnahmen. So waren die schrecklichen Verbrechen während des Jugoslawien-Kriegs auch der Tatsache geschuldet, dass viele im Westen sich nicht vorstellen konnten, wie das Zurückweichen der Blauhelme als Schwäche ausgelegt werden könnte. Srebrenica steht beispielhaft für die Folgen der Fesseln, die sich die internationale Gemeinschaft selbst allzu gerne anlegt.
Interessanterweise sind Gutmenschen einerseits entfesselt, wenn es um Ihre Überzeugung geht, wir müssten Menschenrechte und demokratische Werte überall auf der Welt verteidigen. Andererseits lehnen sie eine Definition der eigenen nationalen Identität, die eben auf solchen Werten fußt, ab - aus Angst vor politischer Inkorrektheit. Es ist geradezu grotesk, dass als Argument für den Afghanistan-Einsatz die Befreiung der Frauen von Unterdrückung angegeben wird, wir hier aber in Deutschland nicht längst ein Kopftuch- und Schleier-Verbot eingeführt haben. Gerne rügen Gutmenschen des politischen Wanderzirkuses auch mal Zustände in anderen Ländern durch "provokante Aktionen, die total gefährlich waren".
Sie fahren zu Homosexuellen-Umzügen nach Moskau, "um Flagge zu zeigen", fahren in Kriegsgebiete um mit Taliban zu reden, "die einfach nur Frieden wollen" oder flechten sich vor Besuchen der Türkei die Farben einer kurdischen Terrororganisation ins Haar - trotz "der Gefahr". :(
Jetzt mal ehrlich: Mit dem deutschen Pass in der Tasche oder sogar als Vertreter einer deutschen Staatsinstitution wie dem Bundestag ist es höchstens dämlicher, aber sicher weitaus weniger gefährlich als für Einheimische. Sicherlich verbringen viele Menschen im Auswärtigen Amt unendlich viel weitaus produktiver einsetzbare Zeit damit, deutsche "Gutmenschen" irgendwo wieder rauszuholen, wo normale Menschen nie freiwillig hinfahren würden. Gerne treten diese Gutmenschen dann in zweit- oder drittklassigen (gemeint ist die Sachkenntnis der Teilnehmer) Talk-Shows auf, um ihre "schrecklichen" Erlebnisse zu erzählen. :(
Jetzt mal an einem Beispiel: Da sitzt dann ein ehemaliger, hoffentlich während seines Berufslebens kritischer Journalist und verbreitet, dass der Taliban, mit dem er "vor Ort" gesprochen hat, nach Frieden strebt. Kommt dieser Gutmensch nicht auf die Idee als "Propaganda-Geschütz" missbraucht zu werden?

*Gutmensch ist für mich im Gegensatz zu oft gelesenen Definitionen nicht per se abwertend gemeint. Privat verwende ich den Begriff meist positiv besetzt im Zusammenhang mit Menschen, die noch nicht wie so viele abgestumpft und desinteressiert für ihre Mitmenschen sind. In der Politik bzw. in Fragen der Realpolitik allerdings ist ein "Gutmensch" jemand, der aufgrund seiner Naivität und Verquickung von Politik und Moral zu falschen Schlüssen kommt.