Ein Rabbi, ein Priester, ein Pfarrer und ein Mufti sitzen an einem Tisch und unterhalten sich kompetent über alle Weltreligionen.
**Rubrik: Werte & Gesellschaft**

- Verfasst 2011 -

Der Artikeltitel könnte einer der kürzesten Witze über das Verhältnis der Religionen sein.
Mein Interesse an Religionen allgemein wurde relativ spät geweckt, fast am Ende der Schulzeit. Durch einige Zeit in einer katholischen Studentenverbindung als Protestant und dem Umzug nach NRW bekam man dann einen noch intensiveren Einblick in die Glaubensrealität in der heutigen Zeit.

Die weit verbreitete Intoleranz gegenüber dem Islam, sowohl bei Katholiken als auch Protestanten, aber auch die Intoleranz vieler Muslime gegen das Christentum ergibt sich wohl aus der Unkenntnis der eigenen und anderer Religionen. Vor dem viel beschriebenen Dialog der Religionen sollte zunächst die Steigerung der Kenntnisse über die eigene und andere Religionen stehen.

Wer sich etwa als überzeugter Christ bezeichnet, die Bibel aber nicht wirklich gelesen hat, der sollte doch wohl Abstand davon nehmen den Islam und speziell einen ebenfalls nicht gelesenen Koran zu beurteilen. Für mich war es sehr bezeichnend von einem gestandenen katholischen Theologen zu erfahren, dass er sich im gesamten Studium nicht mit dem Koran befasst hatte, sogar auch zukünftig dafür keine Notwendigkeit sähe.
Wie könnte man das wohl etwas vereinfacht beschreiben: Ein möglicher Amtsträger einer Weltreligion soll möglicherweise als Vermittler zwischen seinen Gläubigen und anderen Religionsanhängern dienen und weiß absolut nichts von der „Konkurrenz“.
Da wird der Dialog sicherlich erfolgreich verlaufen ?

Doch auf der Gegenseite – unglücklicher Begriff – sieht es meist auch nicht besser aus, zumeist bei einem Großteil der deutschen Muslime. Die häufig aus ländlichen Gebieten der Türkei stammenden Deutschen werden auch in Deutschland häufig von Angehörigen der türkischen Religionsbehörde betreut. Durch den leider mit der Regierung Erdogan einhergehenden Refundamentalisierungsprozess einhergegangenen Kurswechsel ist von dieser Seite kein allzu großes Interesse an gegenseitiger Erkenntnisgewinnung zu erwarten.
Auch leiden deutsche Muslime zu Recht unter falschen Signalen der deutschen Politik.

Die unsägliche Worthülse des Bundespräsidenten „Der Islam gehört zu Deutschland.“ gibt das falsche Signal und zieht die Erwartung nach sich, dass der Islam ebenso staatlich gefördert werden würde, wie die christlichen Kirchen. Die Formulierung des Präsidenten eines säkularen Staates hätte lauten sollen: „Angehörige jeglicher Religion, sofern diese keine verfassungsfeindlichen Ziele verfolgt, sind hundertprozentige und wertvolle Staatsbürger.“
Die ungerechtfertigte Bevorzugung christlicher Institutionen hätte schon seit Jahren als Zeichen der abgeschlossenen Säkularisierung eingestellt werden müssen.

Wenn ein katholischer Kardinal im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Geschichtsklitterung betreiben darf, die von beiden Kirchen vertretenen Werte als Wiege der heutigen Demokratie bezeichnen und die Strukturen innerhalb seiner Kirche als durchaus demokratisch bezeichnen darf, dann wird es schwierig. Zeitgleich werden dann gerne die angeblichen Vertreter des Durchschnittsmuslimen, wie Pierre Vogel oder des voll verschleierten, „total glücklichen“ Integrationspinguins durch die Talkshow geschleift. So kommt das Fernsehen sicherlich nicht seinem Bildungsauftrag nach.

Kritischer ausgewogener Journalismus müsste anders aussehen. Wieso gibt es keine kritischen Berichte über die Teilnahme von Kirchenvertretern an Ethik-Kommissionen? Der einzelne Kirchenvertreter mag ja geeignet sein, aber darf man Angehörige etwa einer Institution zu ethischen Fragestellungen heranziehen, wenn diese Institution beispielsweise Intoleranz gegenüber homosexuellen Staatsangehörigen predigt? Wieso wird nicht immer wieder über den Ursprung der Kirchensteuer und der damit nicht vorhandenen Gleichbehandlung aller Religionen berichtet?
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Ein friedliches und produktives Zusammenleben aller Deutschen egal welcher Religionszugehörigkeit kann auf Dauer nur auf Augenhöhe funktionieren. Diese Augenhöhe zu schaffen kann nur ein säkularer Staat erreichen, der sich aus dem Würgegriff überholter und fragwürdiger Traditionen löst. Dies wird natürlich mit erbittertem Widerstand verbunden sein – von Seiten derer, die mehr als etwas zu verlieren haben.

Sollten sich irgendwann alle religiösen Institutionen in Deutschland rein über freiwillige Zuwendungen der Gläubigen finanzieren und diese damit einen demokratischen Einfluss auf die Besetzung der Posten haben, dann würden sich die Religionen besser in eine demokratischen Gesellschaft integrieren. Selbstverständlich müsste der Staat zum Schutz der demokratischen Grundrechte ein Auge auf alle Religionen haben. Schließlich ist Religionsfreiheit keine Narrenfreiheit, auch wenn dies heute ab und an so scheint.

Ich gebe es zu, diese Haltung, kurz gefasst Religion immer als Privatsache zu sehen und als solche von Seiten der Politik auch behandelt sehen zu wollen, ist natürlich hinterfragbar. Aber warum sollte man nicht auch den jetzigen Umgang mit Religion in Deutschland hinterfragen? Warum sollten sich Gläubige aller Religion nicht vorurteilsfrei öfters gegenseitig ausfragen?
Natürlich erfordert jede Frage eigentlich Hintergrundwissen. Wer sich als Christ mal ganz einfach über den Islam und die Gedanken und Ideen muslimischer Mitbürger informieren will, ich bin ganz einfach mal in die nächste Moschee gegangen und wurde direkt zu einem Tee und einem interessanten Gespräch eingeladen.