Die verschiedenen Büro-Typen, Nein! – nicht auf das Verhalten bezogen, sondern auf die Einrichtung ;-)
**Rubrik: Gedankendeponie**

- Verfasst 2011 -

Irgendwann, wenn man zum Schreibtisch-Proletariat gehört, hat man es möglicherweise geschafft: Man sitzt allein in einem Büro.
Und damit enden die Tage des Leidens und des Schmerzes ;-) Nie wieder wird man erleben müssen, dass zwei, drei oder vier Erwachsene so ganz andere Sauberkeitsmaßstäbe, Temperaturwahrnehmungen und Sauerstoffbedürfnisse haben.

Wer etwa schon mal in einem Großraumbüro saß, weiß seither, warum seit einigen Jahren auch die „gefühlte“ Temperatur in einigen Wetterberichten vorkommt. Es kann einem selbst so heiß sein, wie tagsüber auf einem Wüstentrip in der Sahara, einem Kollegen oder einer Kollegin wird es dennoch unverständlich sein, wieso die Heizung im August abgestellt ist.
Nein, ehrlicherweise ist es immer eine Kollegin, die von der gefühlten Temperatur davon ausgeht gleich im Büro auf Pinguine zu stoßen, während Mann versucht mit letzter Kraft aus Büroklammern eine 2. „Phoenix“ zu bauen, um der Wüste zu entkommen.

Oder wer wie ich in früheren Zeiten Kettenraucher war, wird es so gar nicht nachvollziehen können, wieso Menschen in der Raumluft unbedingt einen gewissen Sauerstoffanteil verlangen. Oder sich noch unverständlicher Sorgen um das böse Ozon des Laserdruckers an ihrem Arbeitsplatz machen...... Während ich inzwischen, dank intensiver Schulung durch nichtrauchende, aber ansprechende Frauen die Notwendigkeit von Sauerstoff halbwegs verstanden habe, stelle ich mir nach wie vor eine Frage. Und diese Frage wird gerade auch von wahrscheinlich tausenden von Männern, die für die technische Einrichtung von Büros zuständig sind geteilt: Wieso überleben Männer Jahrzehnte neben riesigen Laserdruckern der 1. Generation, während die neue Kollegin nach zwei Tagen vom Ozon des neuesten Laserdruckers hinweggerafft wird?

Nun ja, sind diese Zeiten des geteilten und gegenseitig verursachten Leidens erstmal vorbei, dann steht der stolze neue Besitzer des eigenen Büros, ob männlichen oder weiblichen Geschlechts vor der Frage aller Fragen, ohne sie sich bewusst zu stellen:
Wie richte ich mein neues Reich ein? Nehme ich das Büro durch Hissen einer eigens entworfenen Fahne in Besitz? Kommt überhaupt etwas Privates in das hart erkämpfte eigene Mauseloch?

Wenige Tage nach Einzug kann man dann die folgenden Grundtypen unterscheiden (an dieser Stelle steht in Selbsthilfebüchern immer, dass man natürlich auch ein Mischtyp aus diesen Grundtypen sein kann):

Da gibt es zunächst mal den Kuschler/ die Kuschlerin – im folgenden „Kuschel“ bezeichnet.
Kuschel richtet sein/ ihr Büro so ein, als wäre das Kinderzimmer der Pubertät im Büro explodiert. Es herrscht die entspannte Atmosphäre eines Spielzeugladens zur Vorweihnachtszeit.
Auf dem Schreibtisch stehen meistens quietschbunte Tacker, Stifthalter und Locher, die meines Erachtens nach irgendwo hinterm Regenbogen von zu Dumpinglöhnen und unter LSD gesetzten Glücksbärchies fabriziert werden.

Dieser Farbrausch, der durch Drogen verursacht und nur unter Drogen für andere Grundtypen aushaltbar ist, setzt sich mit der Wandverzierung nahtlos fort: Bilder von Nichten der besten Freundin aus Disneyland, putzige Tier-Wandkalender und Pop-Art-Poster bedecken nahezu jeden Quadratzentimeter der „ach so tristen“ Bürowand.
Ob jetzt die Bürowand deshalb als trist wahrgenommen wird, weil sie weiß gestrichen oder eben Teil des Büros ist, da gab bisher Kuschel noch keine Auskunft.
Es wurden auch schon Kuschel gesichtet, die auch kleidungstechnisch farbenfroh auftraten – also ungefähr so, als hätten sie alle Muppets geschlachtet und sich aus deren Fellen lustige Kleider geschneidert.
Über die Jahre habe ich auch eine Theorie zur Gefährlichkeit des „Kuschel“ aufgestellt, aufgrund reiner Feldforschung. Das „Kuschel“, meistens weiblich, eigentlich immer, ist als Kollegin ein wahrer Traum, ist sie doch meistens hilfsbereit und auf der Karriereleiter relativ ungefährlich. Geistig immer mit einem Bein im Privatleben hasst der gemeine „Kuschel“ nichts so sehr wie Konflikte und sieht in ihrem Chef eher die lang verschollene Vaterfigur, als die Hürde auf der Karriereleiter. Rund um das „Kuschel“ hat sich auch ein ganzer Lebensmittelindustriezweig gebildet, der es mit Teesorten aller erdenklichen Art und „Glücks-„, „Erfolgs-„, „Selbstbewusstseins-„ und „Harmonie“-Süßigkeiten versorgt.

Das genaue Gegenstück zum Kuschel ist der/ die Technokrat/in – im folgenden „Tec“ bezeichnet.
Der „Tec“ sieht sein Büro als eine Art Fabrikhalle, in der nichts Überflüssiges rumstehen darf. Er duldet nur das in seinem Büro, was er zur schnellen, effizienten, gewinnbringenden, produktiven, exakten und was weiß ich noch nicht alles Erledigung seiner Aufgaben braucht.
Auf seinem Schreibtisch steht ein Tacker (und zwar immer am selben Platz), der exakt mit 100 Tackernadeln aufmunitioniert ist.
Die Arbeitsfläche teilt sich der Tacker neben dem Rechner mit einer Stiftablage (3 Stifte für 3 Einsatzgebiete), dem Telefon und der Landezone der Kaffeetasse. Diese Landezone ist dank immer gleichen Abstellens inzwischen markiert durch einen eingesickerten Kaffeefleck.
Der Tec hat selbstverständlich eine Hängeregistratur (am liebsten und wenn er/ sie Ahnung davon hat von MAPPEI) und der einzige Wandschmuck des Büros besteht aus einem Fußballfeld-großen Wandkalender oder/ und einer Magnetwand.
Der Tec hat Bilder seiner Familie – und zwar zum Einen im Kopf und zum Anderen in der Brieftasche. Für ihn/ sie ist das Privatleben privat und das Berufsleben Beruf – gefühlt wären Privatbilder an der Bürowand genau so, als hinge in seinem Wohnzimmer ein Bild seines Chefs oder seiner Mitarbeiter.
Da ich größtenteils ein Tec bin, ist das natürlich mein Lieblingstyp :-)
Der Tec ist leider ein etwas nervender Arbeitskollege, kann er doch nie wirklich seinen Unmut ob des Zustands der Büros seiner Kollegen verbergen. Er/ Sie (eher selten) gibt auch gerne mal ungefragt Organisationstipps und versucht alle Abläufe in seiner Umgebung seiner Arbeitsorganisation zu unterwerfen. Mitteilungen von Kollegen, verziert mit Smileys, Massen-E-Mails mit süßen Kätzchen oder das Abfeiern von Geburtstagen während der Arbeitszeit bereiten ihm/ ihr schlimmstenfalls Brechreiz.

Zwischen diesen beiden Extremen tummeln sich noch andere Typen, etwa der/ die Flexible – im folgenden „Flexi“ bezeichnet.
„Flexi“ passt sich sowohl Modetrends, als auch Chef-Trends ohne viel Federlesens an. Bekommt er/ sie etwa einen Tec als neuen Chef, dann dauert es kaum zwei Wochen und auf den ersten Blick könnte man ihr/ sein Büro auch für das eines Tecs halten.
Man sollte nur nicht vorhandene Schranktüren öffnen – Lawinengefahr!
Es soll mal sogar in Deutschland eine Urlaubsvertretung unter einem Haufen weggeräumter Kuschel-Utensilien erstickt sein. Aber das ist eine andere Geschichte.
Flexis sind jene Gruppe, die einem in Großraumbüros immer am Besten gefallen haben, konnte Mann oder Frau sie doch durch Alpahtier-Verhalten einigermaßen unter Kontrolle halten :-)
„Also mir ist irgendwie kalt!“ – Diesen Flexi-Satz etwa konnte man getrost ignorieren, mit dem guten Gewissen, dass eine zur Handlung zwingende Frage, ob man die Heizung anschalten könnte, nicht kommen würde.

Der oder die Büro-Angestellte kann nun auch ein Sammler sein – im Folgenden bezeichnet als „Messie“.
Messies sind in ihren Büros nur schwer auszumachen, verstecken sie sich doch gekonnt hinter turmhohen „Zu erledigen“-Stappeln und undefinierbaren Bergen aus Krempel.
Messies schmeißen bisweilen sogar ein leeres Blatt Papier nicht weg, weil der Chef oder die Chefin danach fragen könnten.
Es ist weniger ein Einrichtungsstil, als das Resultat einer durch frühkindliche Erfahrungen geprägten Lebenseinstellung – der ziellosen Hamsterei. So besitzen Messies in ihrem Büro meist mehr Stifte und Klebestifte, als das Lager eines gut sortierten Bürobedarfshandels.
Aber leider finden sie vor lauter Stiften in den entscheidenden Momenten keinen und holen sich einen neuen von einer Kollegin ;-) Besitzt ein Unternehmen auch nur einen „Messie“, so ordern alle Mitarbeiter ungeheuere Mengen an Büromaterial, landet es doch früher oder später wie Licht im Schwarzen Loch im Messie-Reich.

Eigentlich per Definition kein eigener Grundtyp ist der oder die „Geduldete“ – im Folgenden bezeichnet als „Büropflanze“.

Büropflanze hat aufgrund seines Status – etwa als Praktikant, Trainee oder studentische Hilfskraft, was ich so von Freunden aus ihren Firmen höre (ich habe zum Glück nie in solchen Unternehmen gearbeitet) die selben Rechte, wie der Namensgeber. Keine Büropflanze darf ja schließlich das Büro, in dem sie steht, mitgestalten. Sonst hätten viele Pflanzen bei Kuschels und Messies schon lauthals ihre Meinung kund getan.
Die menschliche Büropflanze, so die Erzählungen, soll dankbar dafür sein den Sauerstoff konsumieren zu dürfen, der sich in dem ihm/ ihr zugeteiltem Büro befindet und die Schreibtischplatte zwecks Arbeit berühren zu dürfen.
Aus lauter Verzweiflung ob sie wenig Gestaltungsmöglichkeiten ihrer Arbeitsumgebung neigen Buropflanzen wohl dazu alle zehn Minuten ihren Bildschirmhintergrund zu ändern oder sich unsichtbare Bilder an die Wand zu hängen.
Büropflanzen – also Vertreter der Generation Praktikum können sich nur schwer mit dem Humor ihrer festangestellten Kollegen trösten, dass sich „Einrichten“ in einem Büro sowieso kaum lohnen würde – schließlich bestände ja nur die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung :-(
So ziehen Buropflanzen mit ihrem Mini-Büro in Form einer Laptop-Tasche nicht nur von Arbeitgeber zu Arbeitgeber, sondern auch von „Da kannst du heute sitzen.“ Zu „Da kannst du heute arbeiten.“

Egal ob Kuschel, Tec, Flexi oder Büropflanze – allen ist eines gemeinsam, ihr Büro sagt küchenpsychologisch eine Menge aus.
Und wer weiß, vielleicht wäre es ja mal eine gute Idee sie in verschiedenen Formen zu halten :-)
So könnte es doch interessant werden, wenn man Kuschels auf eine Etage konzentriert, ihnen LSD-Einrichtungen im Büro untersagt, ihnen aber zum Ausgleich gestattet einen eigenen Kuschel-Team-Raum zu gestalten. Dann müssten die ausgebeuteten Glücksbärchies nicht mehr so viele wahnsinnig hässliche Dinge produzieren.

Man wird ja wohl noch träumen dürfen, auch als Tec....

In diesem Sinne, viel Spaß beim Typisieren,
Sicario

*Jetzt mit noch mehr Mutmaßungen, kleinen oder großen Gehässigkeiten, aber auch mit liebevollen Beschreibungen des ganz normalen Bürowahnsinns, dem ich nun als Freischaffender so begegne :)